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Kommunikation in der digitalen und vernetzten Welt

Keine Zeit für agile Kommunikation?

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„COMMUNICATION GOES AGILE“ – mit diesem Titel sollte vom 19.-20- Januar 2018 in Dieburg im Mediencampus der Hochschule Darmstadt ein Barcamp stattfinden. Aber es kam leider anders.

Die Idee zum Thema „agile Kommunikation“ beschreiben die Initiatoren wie folgt:

„Die Digitale Transformation zwingt Unternehmen zur Entwicklung neuer Strategien und Geschäftsmodelle, um sich fit für die Zukunft zu machen. Vor diesem Hintergrund wandelt sich auch die Rolle von Kommunikatoren in Unternehmen. … Eine neue Aufgabe kommt für die Kommunikatoren hinzu: Agile Methoden im Unternehmen verankern und damit die Digitale Transformation vorantreiben. Agile Methoden eignen sich für kreative Findungsprozesse und komplexe Problemlösungsverfahren sowie teilweise auch für Projektmanagement.

Um agile Methoden zielgerichtet und erfolgreich einzusetzen, benötigen Kommunikatoren klare Definitionen und damit Methodenkompetenz. Daher stellen wir beim Camp „Communication goes agile“ am ersten Tag agile Methoden und Möglichkeiten der Umsetzung vor. Am zweiten Tag öffnen wir ganz im Sinne des BarCamps die Bühne für eure spannenden Beiträge, Projekte und freuen uns auf den gemeinsamen Austausch.

Vom 19. – 20. Januar 2018 findet unter dem Titel „Communication goes agile“ das erste BarCamp statt, das die Themen Agilität und Unternehmenskommunikation verbindet. Wir freuen uns auf Teilnehmer mit Berufserfahrung aus Unternehmen und Agenturen. Gemeinsam wollen wir auf dem Mediencampus der Hochschule Darmstadt in Dieburg Schritte in die agile Zukunft der Unternehmenskommunikation zwischen Design Thinking, Scrum und Kanban gehen.“

Doch statt eines satten Programmes, tollen Sprechern und spannenden Workshops findet sich auf der Eventseite nur folgender Hinweis:

 

„COMMUNICATION GOES AGILE“ – Barcamp 2018

„EVENT ABGESAGT“ – keine Erläuterung, keine Begründung – schade eigentlich.

Schade, dass das von den beiden Darmstädter Professoren Lars Rademacher, Professur für Onlinekommunikation, sowie Melina Alexa, Professur für Online Marketing, und dem Agenturgründer und -geschäftsführer Jörg Pfannenberg initiierte Barcamp in der Kommunikation nicht etwas transparenter mit den Gründen der Absage umgeht.

Aber noch bedauerns- und bedenkenswerter find ich es, dass es wohl nicht die richtige Zeit für ein Barcamp mit diesem Thema zu sein scheint. Ist es NOCH nicht die richtige Zeit? War das Barcamp also seiner Zeit und den deutschen Kommunikationsverantwortlichen voraus? Oder ist es NICHT MEHR die richtige Zeit, und die Professoren und der Geschäftsführer von JP KOM haben die Entwicklung verschlafen und agile Kommunikation ist längst in deutschen Unternehmen und Agenturen angekommen?

Für die letztere These spricht die Geschichte von „Agile“. Denn geboren ist das inzwischen fast erwachsene Kind im Jahr 2001, als 17 Software-Entwickler in den USA das „Agile Manifest“ veröffentlichten und für eine neue Form der Software-Entwicklung warben. Das „Manifest für agile Softwareentwicklung“ basiert auf den vier Grundwerten:

  • Menschen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen
  • Funktionierende Software steht über einer umfassenden Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung
  • Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans

Ergänzt und erläutert werden diese Grundwerte durch „12 Prinzipen“ – nachlesbar hier: die 12 Prinzipien des „Manifest für agile Softwareentwicklung“.

Wichtig also zu verstehen:

  • Das agile Manifest ist kein neuer Trend – ganz im Gegenteil, denn seit Jahren gibt es immer wieder Auguren, die der agilen Software-Entwicklung den baldigen Tod vorhersagen.
  • Das agile Manifest kommt und bezieht sich in seinem Ursprung auf die Entwicklung von Software – und nicht auf Bahnhöfe, Flugplätze, Züge, Kulturhäuser, Industrieanlagen oder kreative Kommunikationskonzepte.

Von der Software-Entwicklung zum agilen Marketing

Und so hat es ein wenig – tatsächlich mehr als zehn Jahre! – gedauert, bis die Marketing-Welt die Agilität für sich entdeckt hat. Mitte 2012 wurde in San Francisco das „Agile Marketing Manifesto“ vorgestellt. Es basiert – als Kompromiss zwischen den 4 Werten und den 12 Prinzipen des „Manifest für agile Softwareentwicklung“ – auf nun sieben Werten:

  1. Validated learning over opinions and conventions
  2. Customer focused collaboration over silos and hierarchy
  3. Adaptive and iterative campaigns over Big-Bang campaigns
  4. The process of customer discovery over static prediction
  5. Flexible vs. rigid planning
  6. Responding to change over following a plan
  7. Many small experiments over a few large bets

(Quelle: „Agile Marketing Manifesto“)

Motiviert und angetrieben wurde dieses Manifesto sicherlich durch die dramatischen Veränderungen und Entwicklungen im digitalen Marketing. Google, Facebook & Co. erzwingen quasi ein agiles Marketing mit kontinuierlicher Validierung, Optimierung und mit täglichem, stündlichem, minütlichem oder sogar Real-Time Reagieren auf User-Aktionen – auf Suchanfragen,Clicks, Likes oder Transaktionen. Und wer bei den sich ständig ändernden und neuen Werbeplattformen und -formaten nicht kontinuierlich am Testen, Ausprobieren und Lernen ist – hat in der Welt des Online-Marketings wenig Aussicht auf nachhaltigen Erfolg.
Haken dran: In der Online-Marketing Welt ist agile angekommen.

Und nun soll also die Kommunikation, die gute alte PR auch noch agil werden!

Nun, sie Ist es sicherlich in einem Bereich schon geworden. Denn was bitte schön ist eine gute Social Media Kommunikation wenn nicht „agil“: ständig am Ohr und im Dialog mit dem User, schnell auf Signale reagierend, flexibel neue Formate nutzend, flexibel auch in der internen Arbeitsweise und in der Vernetzung mit den Unternehmensbereichen.

Sollen wir Kommunikatoren also nun – dem „Agile Marketing Manifesto“ folgend –

  • In der Kommunikation unsere liebgewonnenen Silos, Hierarchien und wohl auch Budgets verlassen?
  • Unsere schöne Jahresplanung aufgeben und im Sprint-Rhythmus neu überlegen und absprechen, was wir wie und wo kommunizieren wollen?
  • Auf den immer wieder angestrebten „Big Bang“ in der PR verzichten? Also lieber fünfzig Instagram Kommentare statt einmal BILD oder SPIEGEL oder TAGESSCHAU?
  • Unsere Kommunikationsmaßnahmen wirklich in Sprint-Intervallen überprüfen und sie uns gegebenenfalls auch als „gescheitert“ eingestehen?
  • Dem Vorstand / Geschäftsführer eingestehen: Wir haben keine „Big Idea“ – wir haben viele kleine Experimente, von denen wir nicht wissen, welche eventuell funktionieren und welche nicht?

Zugegeben, ich habe noch keine feste Antwort oder Strategie auf diese Fragen. Zu unterschiedlich sind meine Erfahrungen in der Welt der Online-Unternehmen in den vergangenen Jahren, zu unterschiedlich war der Stand der Dinge der agilen Software-Entwicklung in den einzelnen Unternehmen, zu unterschiedliche die Kultur der Unternehmen und deren Größe, zu unterschiedlich auch die Idee, wie Marketing und Kommunikation im Unternehmen verstanden werden.

Was ich aber weiß ist, dass im Zuge der Digitalisierung, der Industrie 4.0 und dem „Internet der Dinge“ Software und deren Entwicklung immer stärker in den Mittelpunkt von vielen Unternehmen rücken und rücken werden. Und damit werden die Ideen, Prinzipien und Tools für eine agile Software-Entwicklung einziehen in viele Unternehmen. Sie werden eine neue Unternehmenskultur erfordern und schlussendlich auch eine neue Form der Kommunikation – intern und extern.

Doch bis es auch in Deutschland Zeit für die „agile Kommunikation“ oder gar ein „agiles Communication Manifesto“ ist, habe ich noch einige Fragen offen:

  • Wie hätte eine agile Kommunikation für die Elbphilharmonie ausgesehen? – „Im letzten Sprint haben wir die ersten Aufzüge zum Laufen gebracht! Ein anderes Team hat die ersten Stühle im Großen Saal installiert! Ist das nicht eine tolle Elbphilharmonie“?
  • Ist nicht vielleicht die Elbphilharmonie das beste Beispiel dafür, dass es manchmal den Big Bang braucht – das große, das ganze Bild, um überhaupt noch einen Effekt beim Empfänger zu erreichen?
  • Wie kann ich mit der Marketing-Abteilung agil zusammenarbeiten, wenn diese ihr Media-Budget in einer Jahresplanung an die TV-Sender, Verlage oder Online-Vermarkter verteilt, um so die besten Rabatte zu ermöglichen (und wir sprechen hier nicht von kleinen Beträgen!)?
  • Wie kann ich im besten Sinne integriert aber agil mit der Marketing-Abteilung zusammen arbeiten, wenn deren TV- und Pint-Kampagne vom Briefing bis zum Going Live nun mal drei Monate Zeit benötigt?
  • Kann ich eine integrierte Marketing-/Kommunikationskampagne für ein neues Modell eines Autobauers „agil“ planen und umsetzen? Brauche ich da nicht da den EINEN Aufschlag? Den EINEN Big Bang?
  • Will ich meine Kommunikationsstrategie und -planung wirklich von den Ergebnissen nicht vorhersehbarer Experimente in der Entwicklung abhängig machen? Wie kann ich die Kommunikation für ein Produkt planen, wenn ich nicht weiß, wie das Produkt aussehen wird?
  • Monats- oder Quartalsmagazine – ja, auch die haben in vielen Segmenten noch ihre Relevanz – haben Redaktionsschlüsse, die sich nicht an den internen Sprint-Modus halten wollen. Was nicht da ist, kommt nicht rein ins Heft. Was sage ich also meinem CEO, wenn er einen Monat später in mein Büro stürmt mit der Frage: „Warum sind wir da nicht drin?“ (#WSWDND)
  • Kommunikation ist eine Stabsstellen-Funktion, muss ich jetzt wirklich fast täglich mit jedem Entwickler, Scrum-Master und Product Owner synchronisieren? Das Quartals-Meeting mit dem CTO reicht nicht mehr?
  • Wie kann eine agile Kommunikation über verschiedene Vorstandsbereiche eines Unternehmens funktionieren – zwischen Produkt, Finance, HR, Operations und Marketing?
  • Wie organisiere ich eine agile Kommunikation, wenn die Produktentwicklung in einem anderen Land, einer anderen Zeitzone angesiedelt ist? Und ähnlich auch andere Unternehmensbereiche.
  • Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und PR-/Kommunikations-Agentur – müssen beide agil arbeiten? Oder kann die Agentur agil ticken, denken und Ideen entwickeln während der Kunde nach anderen Prinzipien arbeitet?

Eigentlich wäre es höchste Zeit gewesen für das Barcamp „COMMUNICATION GOES AGILE“ – schade.

Habt ihr dazu Antworten? Ideen? Erfahrungen? Vorschläge? Wünsche?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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